Werkstadt Graz

PUBLIKUMSVOTING Joachim Baur

PUBLIKUMSVOTING !?

Der  steirische Landeskunstpreis wird heuer durch Publikumsvoting ermittelt.

Das ist ein weiteres Signal einer orientierungslos auf seichtem Unterhaltungswert schleichend-stolpernden neoliberalen Gesellschaft. Die scheinbar „direktdemokratische“ Ermittlung des Landeskunstpreises ist eine Vorgangsweise, die keine Probleme löst sondern neue schafft. Es geht nicht an, dass ein mehrheitlich-mittlerer Geschmackswert einer Gesellschaft zur Ermittlung von Höchstleistungen im Bereich der zeitgenössischen Kunst herangezogen wird. Dafür werden Fachgremien einberufen, wie dies auch in anderen Bereichen der Wissenschaft Anwendung findet, um einen verantwortungsvollen Umgang in der Entscheidungsfindung zu gewähren.  – Oder denken wir bereits an Publikumsvotings, die über wissenschaftliche Forschungsbereiche oder über den Ankauf von Apparaturen für das Krankenhaus abstimmen?

Geschichtlich ist belegbar, dass diese Vorgangsweisen in Terrorregimen, oftmals als Instrument der Degradierung aktueller Kunst und Kultur, zur Anwendung gekommen sind. Dass die Eröffnung dieses Publikumsvotings gerade in der Nacht zum 8. November stattfindet, ist nur mehr mit fehlendem Anstand und Würdelosigkeit gegenüber den Opfern des Naziregims zu beschreiben. Es handelt sich – das ist nicht zu vergessen – um öffentliche Preise, öffentliche Posten und öffentliche Einrichtungen, die ein Höchstmaß an empathischer Verantwortung zu repräsentieren haben. Simon Wiesenthal hat mir in einem Gespräch mit einem einprägsamen Satz geantwortet: „Die Geschichte wiederholt sich nicht, es wiederholen sich nur die Fehler, die wir machen“.

Joachim Baur, 4.11.2013

1



Abbildung:Joachim Baur „"Entartete Kunst" Ich verweigere die Ermittlung von Kunstpreisen per Publikumsvoting", August 2013, Tafeln, Holz, Farbe, je 200 x 72,7 x 55,3 cm, Auflage: 3 Exemplare Foto: Barbara B.Edlinger; Courtesy: Courtesy: HAECCCC, 0+865, Italy; diethARdT collection