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Basis.Tunnel

GRAZ – SLOVENJ GRADEC

WERKSTADT GRAZ / Muhammad Müller

Tunneleingang:
Sporgasse 16 / Werkstadt Graz

Tunneleingang:
Glavni trg 14 / Slovenj Gradec / Koroška galerija likovnih umetnosti

 

Zwischen der WERKSTADT GRAZ und der KOROSKA GALERIJA LIKOVNIH UMETNOSTI SLOVENJ GRADEC verläuft der basis.tunnel unter einer Orientierungslinie von 67.900 Metern Länge. Die Grabungsarbeiten begannen im Herbst 2004 von beiden Seiten. Mit der Erforschung der Orientierungslinie, welche in gerader Linie über dem basis.tunnel verläuft, beginnt die multikulturelle Identität Europas zu reifen, von der wir so weit entfernt sind wie die Eingänge des basis.tunnel durch Arbeitszeit. Die Fertigstellung des physischen basis.tunnel hängt von vielerlei Umständen ab und kann daher nur berechnet werden: 5.658 Jahre.

„… am Ende werden wir nicht mehr wissen warum wir begonnen haben“

 

aus: „basis.tunnel“, ORF-Willkommen Österreich, 10.11.2004, Marvin Wolf, Muhammad Müller, Joachim Baur

 

„… Der Aushub ist das, was das Rettungskomplett eigentlich definiert, am Ende ist das Rettungskomplett immer ein Ruinenhaufen, ein Trümmerhaufen, ein Abfallhaufen, ein Müllhaufen aus dem man lesen kann, worum es eigentlich ging. Das ist das Schöne an den Tunneln, man braucht sie gar nicht mehr zu betreten, man weiß meistens gar nicht wo sie eigentlichen liegen, sondern daß was sie kennzeichnet, ist der Aushub, ja – also kannst du sagen, jedes Museum ist eine Müllhalde des Aushubs, den zum Beispiel Künstler bei ihren Rettungskompletts als Werkschaffende hinterlassen. …“

BAZON BROCK, Auszug aus dem Gespräch BROCK / MÜLLER, im TERANGA RESTAURANT/ WERKSTADT GRAZ, Konzept: Joachim BAUR

 

“europa grabt an seiner selbstfindung”

Angenommen, dass von beiden Seiten je ein(e) GräberIn in einem Monat einen Kubikmeter Material abgräbt, würden 5658 Jahre bis zur Fertigstellung des basis.tunnel vergehen. Bei 10.000 Arbeitslosen GräberInnen reduziert sich die Arbeitszeit auf 1 Jahr. Der noch von Erde und Gestein großteils freizulegende basis.tunnel ist Sinnbild einer bereits geistig stark frequentierten, unterirdischen Verbindung und Sinnbild für das Graben zur optimalen Lebensqualität, wobei die Kelleräume an seinen Enden bereits Bestandteil des basis.tunnel sind.

Orientierungslinie:

Mit der Erforschung der Orientierungslinie, welche in gerader Linie über dem basis.tunnel verläuft, beginnt die Illusion der multikulturellen Identität Europas zu reifen, von der wir so weit entfernt sind wie die Eingänge des basis.tunnel durch Arbeitszeit. Nichts existiert ohne mehrschichtige Entsprechung und so hat nun die Region eine unterirdische Sehenswürdigkeit in Progress und die Orientierungslinie, also einen geraden Weg, zur ständigen Erinnerung bekommen. Am Ende der Tunnelarbeiten ist die Absicht ihres Beginns vermutlich vergessen.

“Fortschreitende Erkenntnis und Globalismus”

Zum Abtransport des Aushubs aus den Tiefen des basis.tunnel und weiter bis zum Endlager sind Esel vorgesehen und folglich ihre Zucht, bei der die Esel zur Paarung sich selbst überlassen werden. Zum Verhalten von Eseln | Fressverhalten von Eseln | Formen der Eselhaltung | Krankheiten | Eselrassen und Eselzucht | Nutzung von Eseln … gut !

“EIN SELTSAMER TUNNELBLICK VON GRAZ NACH SLOVENJI GRADEC”

– “Sinnhaftigkeit ist relativ”, sagt der Konzeptkünstler zu seinen basis.tunnel. – “Zuerst handelt man, das Konzept bringt man nach”, erklärt Muhammad Müller. Sein neuestes Projekt heißt basis.tunnel und ist zwischen der WERKSTADT GRAZ und Slovenji Gradec geplant. Entlang der 67.900 Meter langen Luftlinie soll nach einer mit zwei Arbeitskräften 5658 Jahre dauernden Bauzeit eine direke Verbindung bestehen. Aus der Aushuberde möchte Müller, selbst Muslim, ein Mahnmal für die Massenmorde an Muslimen der letzten 5342 Jahre errichtet. Den Tunnel graben sollen Freiwillige und Arbeitslose. Als einzig ‚genehmigte‘ Werkzeuge dienen Skulpturen von Müller, simple Schaufeln, Spitzhacken etc. Sie werden in signierten Kästen um je 5700 Euro ausgegeben und dann als “traditionelle Kunstobjekte wieder in den realen Bereich eingesetzt”. Der Tunnel soll laut Müller “Basissymbol” (geistiger) Wege durch persönliche Problemberge sein. Esel (Erdtransport) und Gräber werden dringend gesucht.

aus: KLEINE ZEITUNG, 13. August 2004, Kultur

MUHAMMAD MÜLLER

ZWISCHENLAGER / basis.tunnel / ESELTREKK

WERKSTADT GRAZ – GALLERY FINE ARTS SLOVENJ GRADEC

31. Juli bis 6. August 1431 (2010)

Zwischen Graz und Slovenj Gradec wird seit 2004 ein Tunnel gegraben, der sich laut Idee und Berechnung des Künstlers Muhammad Müller über eine Zeitspanne von über 5000 Jahren ziehen wird. Der Abtransport des anfallenden Schürfmaterials erfolgt mit Hilfe von Eseln. Ausgestattet mit einem GPS-Gerät gilt es so nah wie möglich entlang der Orientierungslinie, die sich von der WERKSTADT GRAZ zur GALLERY FINE ARTS SLOVENJ GRADEC spannt, das Schürfmaterial an die österreichisch-slowenische Grenze auf den Radlpass zu transportieren. Die ehemaligen Grenzgebäude wandeln sich dabei zu Museumsgebäuden. Das unmittelbar davor errichtete ZWISCHENLAGER ist wie die Eseltaschen mit einem Smartcode gekennzeichnet.
basis.tunnel

In der Zeit von Montag, den 2. August, bis Freitag, den 6. August 2010, besteht die Möglichkeit, einen Tunneleingang täglich von 12 – 13 Uhr zu besichtigen in der WERKSTADT GRAZ im Haus Sporgasse 16, A – 8010 Graz.

TUNNELEINGÄNGE:

WERKSTADT GRAZ, Sporgasse 16, A – 8010 GRAZ
Kontakt: Joachim BAUR
mobil: +43664 3264051
email: werkstadt@mur.at

GALLERY OF FINE ARTS SLOVENJ GRADEC, Glavni trg 24, SLO – 2380 Slovenj Gradec, Slovenia
Kontakt: Jernej KOZAR
tel: tel.: +386 2 88 22 131
email: galerija@glu-sg.si

Gastkommentar in der Kleinen Zeitung vom 27. Juli 2010:

Tragen und Ziehen
– Ein metaphysisches Erlebnis –
Eine Eselei

Mit 7 Eseln durch Österreich zu ziehen, eröffnet Einblicke in ungeahnte Tiefen einer Geistlosigkeit in unserem Land, das eine Eselei zu Tage treten lässt, die mehr mit den Menschen als mit den Tieren zu tun hat.

Zwischen Graz und Slovenj Gradec wird seit 2004 ein Tunnel gegraben, der sich laut Idee und Berechnung des Künstlers Muhammad Müller über eine Zeitspanne von über 5000 Jahren ziehen wird.

Der Abtransport des anfallenden Schürfmaterials erfolgt mit Hilfe von Eseln. Ausgestattet mit einem GPS-Gerät gilt es, so nah wie möglich entlang der Orientierungslinie, die sich von der WERKSTADT GRAZ zur GALLERY FINE ARTS SLOVENJ GRADEC spannt (zwei Parallel-Städte mit gleichem Namensursprung), das Schürfmaterial an die österreichisch-slowenische Grenze auf den Radlpass zu transportieren. Die ehemaligen Grenzgebäude wandeln sich dabei zu Museumsgebäuden, gefüllt mit Sinnfragen. Das unmittelbar davor errichtete Zwischenlager ist wie die Eseltaschen mit einem Smartcode gekennzeichnet.

Eine Woche benötigte der vor einem Jahr durchgeführte Eseltrekk. In diesen Tagen (31. Juli – 6. August 2010) wird nun der zweite Eseltrekk von der slowenischen Seite aus durchgeführt. Wiederum sind gemeinsam mit dem Künstler Muhammad Müller 6 Menschen als Eseltreiber unterwegs.

Der Materialtransport bietet aber auch Einblicke in unser Land, die das Erlebte zur Erscheinung erstarren lässt. Es scheint eine Erstarrung im Geist, eine mangelnde Vorstellungskraft in den Köpfen zu herrschen, die es erlaubt, einen so genannten „individuellen Gestaltungswillen“ an den Tag zu legen, der von der Zerstörungswut der Vielfalt hin zur verordneten stupiden Uniformiertheit führt: eine ästhetische und damit untrennbar verbunden eine ökologische Umweltverschmutzung mit manifestiertem Sondermüll: Häuser, Umzäungen, Gartenanlagen. Das Land gleicht mit seinen Hupfburgen und überdimensionierten Schwimmbecken (die meisten in aufblasbarer Variante, gefüllt mit chlorvergifteten Wasser) einem Disneyland der weiß-grünen Art.

Antenne-Tier-Mensch

Dass es neben Erlebnissen, wie den Tieren Wasser und Weideplatz zu verweigern, auch den Hang zur Idiotie (von grch. idiótes: „Privatperson“) gibt, liegt auf der Hand. Wie sonst ist es möglich, dass fleißig Altnazisprüche und xenophobischer Sprachmüll in die Luft geschleudert werden.

Das provoziert aber auch die Aufforderung an die Leserin an den Leser aufzublicken von der Zeitung und in das Umgebende zu blicken, und sich dabei selbst zu beobachten, metaphysisch sehen zu lernen. Die Zeitung selbst als Teil einer täglich erscheinenden Kommunikations-Landschaft mit dem Kunst-Augen-Blick zu betrachten, der dem Relativierenden, dem Maßgeblichen zu folgen sucht, – keine Heilsversprechung, vielmehr eine individuelle Maßnahme zur Bewusstseinsbildung für individuelle Vorstellung und Wahrnehmung.
Denn sollte nicht auch täglich in den öffentlichen Medien die Lebens-Sinn-Frage gestellt werden. Und ist es dabei nicht auch für uns alle notwendig, das eigene Schürfmaterial zu transportieren, aus unseren täglich begonnenen Tunnelprojekten.

In der Krise der Wirtschaft und der Politik zeigt sich eben die professionelle Unbeständigkeit dieser Systeme: Kunst erweist sich einmal mehr als das Beständige im Unbeständigen, als das Dauerhafte.
Kunst ermöglicht in der Rohheit des Alltags seine Selbstverantwortung ästhetisch wahrnehmbar zu machen, sich selbst zu erkennen und zu erleben und an der Veränderung der Welt mitzubauen, damit das rastlose Umherziehen endlich zum Transport des eigenen Schürfmaterials wird.

PS: Gewidmet all jenen aufgeschlossenen, phantastischen Menschen, die uns entlang der Orientierungslinie begegnet sind und begegnen werden.

Joachim Baur / WERKSTADT GRAZ

BASIS.TUNNEL, Verlauf Orientierungslinie
BASIS.TUNNEL, Abgang Graz
BASIS.TUNNEL, Abgang Slovenj Gradec
BASIS.TUNNEL, Transport Schürfmaterial