Werkstadt Graz

SEIICHI FURUYA | ROBERT GRUBER | CHRISTINE WINKLER

FOTOGRAFIE

 

Freitag, 18. März 2016, 18:30 Uhr

Seiichi Furuya / Robert Gruber / Christine Winkler

GALERIE GRAZY, Sporgasse 16 (hofseitig), A-8010 Graz

 

 

 

CHRISTINE WINKLER

Natura Vivente II, 2016.

Serie von 9 Farbfotografien, je 30 x 45 cm

 

Doch diese Fotografie erhellt rasche eine neue Welt. Sie führt bunte Räume und Tableaus vor Augen, in und auf denen die Materialien und Farben eine scheinbar regellose Verbindung eingehen, die Zuordnung der Objekte aus dem Blickwinkel des alltagsästhetisierten Betrachters keinem vernünftigen Schema folgt. Auch gewohnte Skalierungen und Perspektiven beginnen zu verschwimmen: Die durchaus identifizierbaren Gegenstände repräsentieren nicht eine spielerische kindliche Wirklichkeit, sie verkörpern die hochgestellte Potenz eines Weltbildes, das sich anderswo in repetierenden Vorstellungsbilder der Unbefangenheit, der grenzenlosen Phantasie nur bruchstückhaft oder schematisch ablagert. Gezielte Reduktion auf das Wesentliche treten ebenso in Erscheinung wie das Bedürfnis nach Vollständigkeit im Auftritt der Protagonisten. Die Fülle und die Leere, das Arrangement aus Vorgefertigtem und die Aneignung der Realität durch das selbst Gestaltete finden sich im realen und im abbildenden Blickwechsel wieder. […]

In jedem Fall folgen sie einem neuen Weltbild-Entwurf, dokumentieren konkret wie paradigmatisch dessen sichtbare Ergebnisse. Hand in Hand damit erweitern sie den globalen Bilderatlas durch ein Kapitel, das nicht zögert, den äußerlich vorgefertigten Bildmustern diesen innewohnende hinzuzufügen, um damit nicht einen schicken, vielmehr einen folgenreichen Blickwechsel in der Dokumentation zu vollziehen. In dieser Fokussierung steht nicht in erster Linie eine fotografische Wahl unter den Aspekten der Welt im Zentrum: Die motivierte Kamera verbildlicht hier als Instrument eine der möglichen, aus einem Minikosmos freigelegten authentischen Neuformatierungen von Lebens- und Erfahrungsraum.

Werner Fenz, aus: „Christine Winklers Minikosmos als Beitrag zum globalen Bilderatlas“, Lichtungen 94/XXIV.JG:2003

SEIICHI FURUYA

Gravitation

Gravitation ist das, was man erst erfährt, wenn man ihren Bereich verlässt. Solange man dem Einfluss der Schwerkraft unterliegt, spürt man sie nicht; erst in der Schwerelosigkeit – im Wasser, im Parabelflug im Orbit, also im extraterrestrischen Bereichen – wird mit der Aufhebung der Schwere, deren Preis jedoch der Verlust des Halts, des festen Grundes ist. Wie der Fisch solange keine Idee vom Wasser hat, bis er auf dem Trockenen zappelt (und es zu spät für ihn ist), so findet auch der Exilierte seinen Begriff von Heimat erst, wenn er sie hinter sich lässt. Und wie fest er auch auf neuem Boden Fuß gefasst haben mag: der Verlust des heimatlichen Grundes wird nun selbst zum alle weiteren Gründe bestimmenden Grund. Wenn etwas Gewissheiten dauerhaft in Frage stellt, dann das Exil. Denn der Grund bindet: als der erste und ursprüngliche ist er Antwort auf alle Fragen. Wer, aus welchen Gründe auch immer, ihn aufgibt, lebt fortan auf schwankendem Boden, und wer auf schwankendem Boden lebt, dem fällt es leichter, die „Länder wie Schuhe“ zu wechseln, die Seite und die Zeiten.

Wenn Furuya seine neue Arbeit (die streng genommen keine neue, sondern, aus ihr erwachsend, nur die notwendige Fortsetzung seiner bisherigen in einem anderen Register ist und als solche so wenig abgeschlossen wie diese) mit dem programmatischen Titel ‚Gravitation‘ versieht, dann hat diese Metapher nicht nur beschreibenden, sondern auch beschwörenden Charakter- obschon der Metapher als auch dem , worauf sie sich bezieht – den Fotografien – eine gewisse Schwere nicht abzusprechen ist. Denn diese Bilder scheinen von ganz unten zu kommen, aus dem Bodensatz des Gedächtnisses. Sie stammen vom Grund, sie verweisen auf ihn, und sie sind selbst, wie sich jetzt erst, im Rückblick zeigt, das Grundierende von Furuyas gesamten Werk.

Falk Haberkorn

 

 

ROBERT GRUBER

 

Robert Grubers Arbeiten sind getragen und werden gezeichnet von einer Anschaulichkeit, die nicht im Bild ihrer selbst, schon gar nicht im Abbild verharrt.

Diese abstrakt und praktisch begreifbare Anschaulichkeit ist von be-wirkender Kraft, die Prozesse der Deutung als Erfahrung des Bildes in Gang setzt, und die mit dieser Deutung verbundenen Begriffe ins Spiel der Betrachtung bringt: Was ich da sehe, heißt so, aber ist das die einzige, feste Zuschreibung? Nein: Es geschieht etwas, mit dem, was ich sehe und bezeichne, und es verändert sich und mich mit.

Das heißt: Die definierenden Begriffe schauen auf das, was sie im Foto, in der Inszenierung von Gegenständen und Menschen, in der Installation bezeichnen, und holen von dort her ihre Bedeutung, und nicht von sich selbst als Bezeichnendes. So entsteht ein dialektisches Wechselspiel von Bild und Wort, Gegenstand und abstraktem Verweis, das immer in praktische Erfahrung via Wahrnehmung mündet. Diese suggeriert so etwas wie eine narrative Struktur in den Arbeiten von Robert Gruber, die sich auf dialogische Weise oder in kommunikativen Weisen des Erzählens in diese Struktur einklinken und sie aufbauen helfen….

Ferdinand Schmatz, 2010

 

 

Christine Winkler, Natura Vivente II
Seiichi Furuya, Graz 1994, Gelatin silver print:print size: 40,6 x 50,5 cm, image size: 31,4 x 46,8 cm
Robert Gruber, ohne titel (mohn), polaroid 809, 19x24 cm, steiermark, juli 2014
Ausstellungsansicht, Foto: Croce & WIR
Ausstellungsansicht, Foto: Croce & WIR
Ausstellungsansicht, Foto: Croce & WIR
Ausstellungsansicht, Foto: Croce & WIR
Ausstellungsansicht, Foto: Croce & WIR