Gott. Geld. Kunst. Kapital / Geld & Guilt 07.09. – 21.12. 2007
WERK STADT KÜCHE / PUBLIC KITCHEN
„Die Errichtung einer funktionstüchtigen Küche in den Projekt- und Ausstellungsräumen von ARTNEULAND in Berlin ermöglicht es jüdischen, christlichen und arabischen Köchinnen und Köchen mit der Zubereitung ihrer Speisen wirksam zu werden. In 1 (einer) Küche werden Speisen von 3 (drei) Kulturen monotheistischer Religionen gekocht.“ WERKSTADT GRAZ, Barbara B. Edlinger, Joachim Baur
Seit 1989 beschäftigen sich die Künstler der WERKSTADT GRAZ mit dem Phänomen der Küche, mit der Ästhetik von Lebensmitteletiketten und Werbung („mir kommt keine kunst aufs brot“, 1990), mit den Bedeutungen der Küche als alchemistischer Ort (Goldküche) und mit der Integration von Götternamen als Produktbezeichnungen (Ceres, Rama, etc.). Seit dieser Zeit konnten in Deutschland, USA, Slowenien und Österreich Küchen und mobile Einrichtungen errichtet werden. Als Fortführung der seit 1989 realisierten Projekte „KITCHEN“, „HOTEL“, „DIGITAL ROYAL- CAFE D `ORO“ „GOLDKÜCHE“, und „TERANGA“ konzipiert die WERKSTADT GRAZ die Installation.
WERK STADT KÜCHE BERLIN
Die WERKSTADT GRAZ errichtet im Ausstellungsbereich von ARTNEULAND BERLIN eine funktionstüchtige Küche für die Zubereitung von Speisen aus den drei wesentlichen monotheistischen Weltreligionen.
Die Kücheneinrichtung, Wasserzufluss, Wasserabfluss, Luftzufuhr, Strom, Gas, Nahrungsmittelanlieferung, Müllabfuhr, etc. geben dabei Einblick in die alltägliche Praxis der Religionen. Sie bilden neben der Kücheneinheit sichtbare Elemente einer „Materialwandlung“.
Die Beschäftigung mit Alchemie (seit 1989) führte die Künstler der WERKSTADT GRAZ zu den Phänomenen der Küche, zur Ästhetik von Lebensmitteletiketten und Werbung, zu den Bedeutungszusammenhängen der alltäglichen Küche als alchemistischer Ort (Goldküche) und zur Deutung des philosophischen Begriffs einer „seelischen Totalität“.
Am 7. September beginnt die Eröffnung um 19 Uhr mit einem Symposium zum Thema „GOTT. GELD. KUNST. KAPITAL“.
Ab 21 Uhr findet eine Verköstigung von den durch jüdische, arabische und christliche KöchInnen zubereiteten Speisen statt.
Noch am selben Abend wird die Küche mit für Zwangsvollstreckungen üblichen Schnüren und Bleiplaketten verplombt.
(Laut Statistik werden allein in Deutschland wegen Nichtbezahlung von Gas-, Strom- und Mietrechnungen täglich ca. 3970 gerichtlich angeordnete Zwangsvollstreckungen durchgeführt.)
Die Installation wird von 7. September – 21. Dezember 2007
in den Räumen von ARTNEULAND BERLIN,
Schumannstrasse 18, 10117 Berlin zu sehen sein.
Weitere Kochereignisse werden an folgenden Tagen stattfinden:
25.11. 2007
Veranstaltung mit Sloterdijk, Brock und Weibel
27.11.2007
Filmabend mit Anna Faroqui (Indische Küche)
28.11.2007
Fest Artneuland
06.12.2007
MAHLZEIT der drei großen monotheistisch geprägten Kulturen
Eröffnungsrede:
„Mir kommt keine Kunst aufs Brot“ war die Parole für eine flächendeckende Werbekampagne Ende der Achtzigerjahre zum Thema „natürliche Lebensmittel / bewusst leben“.
Wir, die WERKSTADT GRAZ, steckten damals bereits in ersten Netzwerkprojekten auf der Suche nach alchemistischen Spuren im Alltag. Peter Gerwin Hoffmann untersuchte 1987 die Mikroben, die sich auf dem von Wassily Kandinsky 1940 gemalten Bild „Parties“ diverses angesiedelt haben. Er schrieb damals:
So wie die Mikroben auf dem Bild von Kandinsky auf einem Kunstwerk, auf einer Kunstwelt leben, so leben wir.
Die Auflösung der Polarität von Kunst und Natur schafft eine neue – die Polarität von realer Kunst und KunstKunst. Die Arbeit der Künstler bekommt einen neuen Stellenwert, denn es hat für unsere Zukunft höchste Priorität, dass die Kunstwerke (die Kuh oder das genmanipulierte Bakterium) mit Kriterien der Kunst untersucht und reflektiert werden und nicht wie bis jetzt mit den Kriterien der Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Der Künstler wird sich in Zukunft nur mehr mit der ihn umgebenden Kunst auseinandersetzen.
(aus: Peter Gerwin Hoffmann, ’Resource Kunst’, Dumont Verlag, 1989)
In diesen Tagen wurden die umstrittenen Pläne einer Stammzellenforschung von britischen Behörden genehmigt, die eine so genannte cytoplasmatische Hybrid-Embryo-Forschung also eine Verschmelzung von menschlichen mit tierischen Zellen erlaubt.
„LÄNGST ESSEN WIR UNS SELBST“ formieren sich die Buchstaben in Erinnerung und konsequenter Fortführung der griechischen Mythologie, die in der Gestalt des Minotaurus die Metapher dieser Tage bildet.
So, als ob das -Vorgedachte- nun endlich in Erfüllung gehen kann und das Gehirn selbst Modell & Gegenstand dieser Transmission ist, also Ursprung und Ziel.
(Vgl. Mariazell, Kriesche)
NATURA NATURAM VINCIT – „Die Natur überwindet die Natur“ war der Leitspruch der im Laboratorium zur Gewinnung des Lebenselixiers tätigen Alchemisten. In der heutigen alltäglichen Küche haben wir diesen Ort wieder gefunden – in der Verschmelzung von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kunst und Religion.
Seit 1982 konnten Küchen, Lebensmittelanordnungen und Installationen in Graz, Wels, Slovenj Gradec, New York und Hongkong errichtet werden. Heute sind Sie Zeuge einer Versuchsanordnung, die die drei monotheistisch geprägten Kulturen im gemeinsamen Tätigwerden in einer Küche zum Festmahl legieren. Ab heute wohnen leben auch Sie im von ARTNEULAND errichteten „HOME OF TRIALOGUES“.
Und in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes APPETIT nämlich „etwas zu erreichen suchen“ wünsche ich Ihnen im Namen aller Mitwirkenden einen „GUTEN APPETIT“ und „SPRECHEN SIE MIT VOLLEM MUND“!